Der vertikale Weg: Zukunft der Energiewende
Interview mit Sascha Krause-Tünker, Geschäftsführer der Next2Sun Technology GmbH
Entweder landwirtschaftlicher Anbau oder Photovoltaik – so lautet bis heute meist das Credo, wo es um die Nutzung von Freiflächen geht. Dass es sich jedoch lohnt, buchstäblich auch einmal ‘in die andere Richtung’ zu denken, zeigt die Next2Sun Technology GmbH mit ihrem Konzept der vertikalen Anordnung bifazialer Solarmodule: So kann Photovoltaik auf einer Fläche betrieben werden, die der landwirtschaftlichen Nutzung erhalten bleibt – und den Strombedarf zu Tageszeiten decken, die der Mittagspeak nicht erreicht.
Wirtschaftsforum: Herr Krause-Tünker, gegründet 2015 ist die Next2Sun Technology GmbH schon fast ein Jahrzehnt am Markt. Als Solaranbieter gehört sie daher zu den Pionieren in diesem Bereich – mit einem nicht alltäglichen Konzept. Was war die zündende Idee dahinter?
Sascha Krause-Tünker: Wir sind heute sehr bekannt für unser Konzept der Agri-Photovoltaik. Dabei geht es um die Doppelnutzung von Agrarflächen durch Landwirtschaft und Photovoltaik: Die Fläche dient einerseits dem Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse, andererseits durch die in breiten Reihen senkrecht aufgestellten Solarmodule aber auch der Solarstromerzeugung. Die Idee dazu hatte unser CEO Heiko Hildebrand. Zur Zeit der Gründung von Next2Sun trieb ihn allerdings ein anderes Thema noch mehr um, das erst heute wirklich aktuell ist, nämlich die Verfügbarkeit von erneuerbarem Strom zu allen Tages- und Nachtzeiten. Um die Sonnenenergie auch morgens und spätnachmittags nutzen zu können, stellte er Solarmodule zunächst senkrecht an Wänden auf. 2015/2016 wurde der erste Prototyp eines bifazialen, also von beiden Seiten nutzbaren Moduls gebaut – die Ergebnisse waren so beeindruckend, dass wir das Vertikal-Thema weiterverfolgt haben und die bifazialen, senkrecht aufzustellenden Module heute die Grundlage unserer Agri-PV- und Solarzaun-Konzepte sind.
Wirtschaftsforum: Der Weg, den Sie mit dieser neuen Technologie beschritten haben, unterscheidet sich sehr von dem, was der Markt gemeinhin kennt. Müssen Sie hier nicht sehr viel Aufklärungsarbeit leisten?
Sascha Krause-Tünker: Das schon, aber die Vorteile liegen auf der Hand: Mit unserem Konzept bedienen wir beides, sowohl die antizyklische Stromproduktion, die den morgendlichen und abendlichen Strombedarf deckt, und den Erhalt der Fläche zur landwirtschaftlichen Primärnutzung. Allerdings haben wir zwar einen besseren PV-Ertrag und wir erhalten fast die gesamte landwirtschaftlich nutzbare Fläche, aber wir haben auch nur die Hälfte der PV-Belegungsdichte. Das Problem ist dabei die finanzielle Gewichtung, weil die monetäre Wertschöpfung von Landwirtschaft im Verhältnis zu der von PV relativ gering ist. Die Energiewirtschaft reagiert daher bislang recht verhalten. Hier müssen wir Überzeugungsarbeit leisten, dass unser Weg derjenige ist, mit dem sich die Zukunft der Energiewende gestalten lässt.
Wirtschaftsforum: Sie sagten, die Ergebnisse der vertikalen Anlagen seien beeindruckend – heißt das im Hinblick auf Effizienz und Ertrag?
Sascha Krause-Tünker: Genau. Tatsächlich gibt es eine wissenschaftliche Studie von 2013, die zeigt, dass die Anlagen, je weiter sie vom Äquator entfernt sind, sogar mehr Ertrag liefern als konventionelle Südanlagen. Tendenziell liefern wir nördlich der Alpen mit einer Ost-West ausgerichteten vertikalen Anlage sogar bessere Erträge als mit einer konventionellen Südanlage.
Wirtschaftsforum: Wie Sie mit einem weiteren Produkt zeigen, bietet sich das Vertikal-Konzept nicht nur für PV-Anlagen an.
Sascha Krause-Tünker: Wir haben einen Solarzaun entwickelt, der als Retail-Produkt aus dem Vertikal-Konzept abgeleitet ist. Der Solarzaun deckt ein breites Anwendungsspektrum ab: von der Einfriedung von Eigenheim oder Ferienhaus bis in den öffentlichen Raum, etwa für Parkplätze. Für dieses Produkt haben wir 2019 den Österreichischen Solarpreis erhalten. Grundsätzlich lässt sich das Ganze auch auf Verkehrsinfrastruktur ausweiten: Hier haben wir gerade ein sehr sichtbares Projekt mit dem Frankfurter Flughafen, wo wir entlang der Startbahn 18 West die mit 14,4 MW größte PV-Anlage im Rhein-Main-Gebiet bauen.
Wirtschaftsforum: Wo kommen Sie mit Ihren Kunden ins Gespräch?
Sascha Krause-Tünker: Wir sind auf etlichen Messen vor Ort, etwa der Intersolar, der Agritechnica, den DLG Feldtagen, den Öko-Feldtagen und in den USA auf der AgriVoltaics Conference, der Key in Rimini, Italien, und in Wels in Österreich.
Wirtschaftsforum: Next2Sun hat einen Weg gefunden, Energiegewinnung und Bewahrung landwirtschaftlicher Flächen miteinander zu verbinden. Das geht über reines Geldverdienen weit hinaus. Was ist Ihr persönlicher Drive bei Ihrer Arbeit für das Unternehmen?
Sascha Krause-Tünker: Für mich ist das die Tatsache, dass die Energiewende uns braucht. Die letzten Jahre standen im Zeichen der Entwicklung neuer Produkte und Technologien und der Erschließung neuer Märkte – kein einfacher Weg, aber ich bin überzeugt, dass wir so einen gesellschaftlichen Fortschritt schaffen können.