„Mut zum Kontrollverlust“ – TV-Starkoch Alexander Herrmann über Unternehmertum und Genusswelten
Interview mit Alexander Herrmann, Geschäftsführer der AHa-Effekt GmbH
Er kocht nicht nur auf Sterne-Niveau, er denkt auch so: Sternekoch Alexander Herrmann spricht über Unternehmertum im Allgemeinen und die AHa-Effekt GmbH im Besonderen, über Verantwortung und Fehlerkultur sowie darüber, warum Genuss immer auch ein Spiegel der Gesellschaft ist. Ein Gespräch über Management, Mut, Teamgeist und die Kunst loszulassen.
Wirtschaftsforum: Herr Herrmann, wenn Sie auf die Entwicklung Ihres Unternehmens blicken: Welche Schritte waren entscheidend und wie hat sich Ihr Führungsstil dabei entwickelt?
Alexander Herrmann: Zwei Dinge waren von Anfang an unabdingbar: zum einen die richtigen Menschen zu finden und zum anderen ihnen zu vertrauen. Ohne Persönlichkeiten, die denselben Herzschlag haben, funktioniert es nicht. Dazu kommt der Mut zum Kontrollverlust – ein Unternehmer darf nicht ständig am eigenen Ego kleben. Wer loslässt, gewinnt. Fehler gehören dazu. Sie sind unvermeidlich und Teil des Erfolgs. Wer glaubt, fehlerfrei durch den Tag zu kommen, liegt falsch – schon das Nichtstun ist ein Fehler. Entscheidend ist, Lösungen zu finden und Verantwortung zu teilen. So habe ich früh gelernt, dass ich größer werde, wenn ich abgeben kann. Heute arbeite ich nicht im Betrieb, sondern am Betrieb. Das hat gerade in Krisenzeiten geholfen – beispielsweise während Corona, als mein Team selbstständig Ideen entwickelte, die uns neue Geschäftsfelder eröffnet haben.
Wirtschaftsforum: Wie prägt diese Haltung Ihren Umgang mit Fehlern und Verantwortung?
Alexander Herrmann: Fehlerkultur ist für mich eigentlich Lösungskultur. Wir sind Macher. Es geht nicht darum, Fehler zu vermeiden, sondern Lösungen zu entwickeln. Mindset ist alles. Wenn Mitarbeiter keine Angst vor Fehlern haben, entstehen Ideen und Innovation. Ich sage meinen Leuten oft: „Probiert es einfach.“ Wenn es klappt, wachsen sie; wenn nicht, haben wir alle etwas gelernt. Dadurch entstehen Stolz, Motivation und Zusammenhalt. Das ist wie bei Kindern, die zum ersten Mal allein zur Schule gehen – dieser Moment des Vertrauens ist entscheidend. Nur wer loslassen kann, befähigt andere, Verantwortung zu übernehmen.
Wirtschaftsforum: Ihr Team ist groß und erfolgreich – wie sieht die AHa-Effekt GmbH heute aus, und welche Rolle nehmen Sie selbst ein?
Alexander Herrmann: In Nürnberg und Wirsberg beschäftigen wir zwischen 100 und 120 Mitarbeiter, je nach Saison. Dass wir trotz hoher Kostensteigerungen gegen den Branchentrend wachsen, erfüllt mich mit Stolz. Mein Führungsstil hat sich dabei verändert: Früher stand ich mitten im Alltag, heute bin ich Coach und Mentor. Ich entwickle die Rahmenbedingungen, ermögliche Kreativität und begleite mein Team. Natürlich bin ich in allen Menüs kreativ eingebunden, aber mein Schwerpunkt liegt darauf, Strukturen zu schaffen, in denen andere glänzen können – und manchmal auch die Lorbeeren ernten.
Wirtschaftsforum: Genuss ist Ihr Geschäft – was macht für Sie ein perfektes Restauranterlebnis aus, und wie gestalten Sie das in Ihren Häusern?
Alexander Herrmann: Drei Dinge sind entscheidend: Exzellenz im Glas und auf dem Teller, Emotion und Persönlichkeit. Gäste gehen nicht einfach „ins Restaurant“, sondern „zum Herrmann“ oder zu Mitarbeitern, die seit Jahren ihre Persönlichkeit einbringen. Ergänzt wird das durch Erlebnisse wie unsere Behind-the-Scenes-Touren. Gäste sehen, wie wir arbeiten und fühlen sich als Teil der Lösung. Das macht Genuss intensiver und schafft Vertrauen. Es entsteht ein Kreislauf, von dem alle profitieren: Gäste schätzen die Arbeit, das Team freut sich über die Anerkennung und das Erlebnis bleibt nachhaltig im Gedächtnis.
Wirtschaftsforum: Sie sagen: Gastronomie ist Spiegel der Gesellschaft. Welche Trends beobachten Sie und wie reagieren Sie darauf?
Alexander Herrmann: Trends in der Küche folgen gesellschaftlichen Stimmungen. Nach der Vegan-Welle erlebt das Steakhaus ein Revival, weil es eine Gegenbewegung gibt. Japanische Klarheit wiederum passt in Zeiten, in denen Menschen Orientierung suchen. Gourmet-Gastronomie muss sich wandeln – lange Menüs sind nicht mehr zeitgemäß. Deshalb entwickeln wir neue Konzepte wie das ‚Anima Unchained‘, ein bewusst als Pop-up-Restaurant angelegtes Zukunftslabor. Wir haben bereits zwei Events über je zehn Tage durchgeführt, bei denen wir neue Ideen getestet haben – von Gruppendynamiken am Tisch bis hin zu völlig neuen Menüformen. Die Resonanz war überwältigend: Gäste waren neugierig, offen und begeistert von der Möglichkeit, Teil eines Experiments zu sein. Für uns ist das ein wichtiger Schritt, denn wir wollen nicht das ‚iPhone 17 der Küche‘ servieren, bei dem nur die Kamera gedreht wird. Wir wollen das nächste Level – Neues, das überrascht und begeistert.
Wirtschaftsforum: Was bedeutet Unternehmertum für Sie ganz persönlich?
Alexander Herrmann: Unternehmertum heißt für mich, Menschen zu befähigen, Verantwortung zu übernehmen. Es bedeutet, Mut zum Loslassen zu haben – und Freude daran, wenn andere glänzen. Fehler gehören dazu, aber sie sind keine Katastrophe. Sie sind die Basis für Entwicklung. Wenn Mitarbeiter Verantwortung übernehmen dürfen, entstehen Innovation, Wachstum und Teamgeist. Am Ende zählt: gemeinsam wachsen und genießen.