Photonik trifft Praxis: Aus der Forschung an die Spitze

Interview mit Dr. Hanjo Rhee, CTO und Dr. Christoph Theiss, COO der Sicoya GmbH

Sicoya GmbH photonischer Wafer
Ein kompletter photonischer Wafer unter dem Mikroskop, bereit zur Inspektion photonisch integrierter Schaltungen

Siliziumphotonik gilt als Schlüsseltechnologie für die nächste Generation optischer Datenübertragung. Die Berliner Sicoya GmbH gehört zu den europäischen Vorreitern auf diesem Gebiet. Das Unternehmen entwickelt photonisch integrierte Schaltungen, die höchste Datenraten auf kleinstem Raum ermöglichen, und dies bei hoher Energieeffizienz, technischer Komplexität und industrieller Skalierbarkeit. Im Gespräch mit CTO Dr. Hanjo Rhee und COO Dr. Christoph Theiss wird deutlich, wie stark Sicoya auf technologische Exzellenz, aber auch den Dialog mit dem Markt setzt – und welche beeindruckende Entwicklung es seit der Gründung 2015 von einem universitären Spin-off hin zu einem international gefragten Technologielieferanten genommen hat.

Dr. Hanjo Rhee, CTO der Sicoya GmbH
Dr. Hanjo Rhee, CTO der Sicoya GmbH
Dr. Christoph Theiss, COO der Sicoya GmbH
Dr. Christoph Theiss, COO der Sicoya GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Dr. Theiss, Herr Dr. Rhee, wie kam es zur Gründung von Sicoya?

Dr. Christoph Theiss: Sicoya wurde 2015 als Spin-off der TU Berlin gegründet. Vier der fünf Gründungsmitglieder, darunter auch Herr Dr. Rhee und ich, hatten dort intensiv im Bereich Siliziumphotonik geforscht. Gemeinsam mit einem Branchenexperten wollten wir unsere wissenschaftlichen Ergebnisse in marktfähige Produkte überführen. Das Thema war technologisch anspruchsvoll, aber wir hatten eine klare Vision.

Dr. Hanjo Rhee: Die Entwicklung unserer Technologie war aufwendig. Wir arbeiten auf einer komplexen BiCMOS-Plattform, bei der ein Designzyklus oft ein dreiviertel bis ein Jahr dauert. Die Anfangszeit war geprägt von intensiver Forschung und Produktentwicklung. Entsprechend brauchten wir Investoren, die an den langfristigen Erfolg glaubten. Der erste Markteintritt mit fertigen Transceivern erfolgte 2019/2020, ein entscheidender Schritt in den kommerziellen Markt.

Wirtschaftsforum: Seit 2021 gehört Sicoya zu einem chinesischen Konzern. Was hat sich dadurch verändert?

Dr. Christoph Theiss: Wir sind eine Tochtergesellschaft, operieren aber weiterhin unabhängig. In Berlin liegt der Fokus auf Entwicklung und Chipdesign. Die Module und Märkte der Muttergesellschaft in China sind von unseren klar getrennt. Diese Struktur bietet Stabilität, aber auch Flexibilität, um uns auf unsere Stärken zu konzentrieren.

Dr. Hanjo Rhee: Unsere Technologie war von Anfang an richtungsweisend. Wir waren unter den Ersten in Europa, die Siliziumphotonik zur Marktreife gebracht haben. Unsere Designs waren früh hoch integriert, ein Vorteil, den wir bis heute pflegen. Die Kombination aus photonischen und elektronischen Funktionen auf einem Chip ist komplex, bietet aber enorme Effizienzgewinne.

Sicoya GmbH Feine Strukturen
Feine Strukturen und Linien zeigen die hohe Integrationsdichte der Siliziumphotonik-Technologie in der Nahaufnahme eines photonischen Wafers mit 300 mm Durchmesser

Wirtschaftsforum: Wie sieht heute die strategische Ausrichtung aus?

Dr. Christoph Theiss: Anfang 2024 haben wir entschieden, uns aus der Modulproduktion zurückzuziehen. Die Fertigung war kapitalintensiv und nicht mehr effizient skalierbar. Stattdessen fokussieren wir uns nun auf das Kerngeschäft: die Entwicklung und Lieferung photonischer und elektronischer Chips. Dafür kooperieren wir mit einer leistungsfähigen europäischen Foundry. Unsere Kunden integrieren die Chips dann selbst in ihre Module. Wir übernehmen das, was wir am besten können: Innovation an der Schnittstelle von Photonik und Elektronik.

Dr. Hanjo Rhee: Entscheidend ist der enge Austausch mit großen Endkunden wie Hyperscalern und Cloudanbietern. Unsere Chips entstehen entlang deren Roadmaps: Die technischen Anforderungen definieren letztlich Architektur und Performance. Diese Nähe zur Anwendung sichert nicht nur unsere Relevanz, sondern auch unsere Innovationsfähigkeit.

Wirtschaftsforum: Wie ist das Marktumfeld strukturiert?

Dr. Christoph Theiss: Es gibt nur eine Handvoll großer Rechenzentrumsbetreiber, die gleichzeitig Innovationstreiber sind. Diese dominieren die Nachfrage. Wir stehen direkt oder indirekt in Kontakt mit ihnen. Auch wenn unsere unmittelbaren Kunden oft Modulhersteller sind, kommen die Spezifikationen meist vom Endkunden.

Wirtschaftsforum: Gab es personelle Veränderungen durch den Strategiewechsel, und wie haben sich Ihre Aufgaben im Unternehmen entwickelt?

Dr. Christoph Theiss: Im Zuge der Neuausrichtung haben wir uns verschlankt, von gut 80 Mitarbeitern im Jahr 2023 auf aktuell fast 40, unterstützt durch externe Spezialisten. Der Fokus liegt nun klar auf Forschung, Produktentwicklung und technischer Exzellenz. Diese Fokussierung schafft nicht nur Effizienz, sondern auch mehr Klarheit. Ich habe früh die kaufmännische und strategische Verantwortung übernommen – zunächst als Verantwortlicher für die Prozesse und die Produktion, heute als COO. Mich motiviert vor allem, eine komplexe Technologie marktfähig zu machen und das Unternehmen langfristig erfolgreich aufzustellen.

Dr. Hanjo Rhee: Ich war bereits während meiner Promotion an der TU Berlin mit Siliziumphotonik befasst. Seit der Gründung bin ich für das Design photonisch inte-grierter Schaltungen verantwortlich. Heute leite ich als CTO die technische Ausrichtung und Innovationsstrategie. Es ist faszinierend zu sehen, wie sich Konzepte aus der Forschung in marktreife Produkte übertragen lassen.

Wirtschaftsforum: Was sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren von Sicoya?

Dr. Hanjo Rhee: Unsere Fähigkeit, elektronische und photonische Funktionen auf einem Chip zu integrieren, verschafft uns einen klaren technologischen Vorteil. Unsere Chips sind kompakt, leistungsstark und auf die konkreten Anforderungen der Endkunden abgestimmt. Wir liefern nicht nur Standardkomponenten, sondern echte Differenzierung.

Dr. Christoph Theiss: Dazu kommt ein tiefes Marktverständnis. Unser technisches Marketing ist direkt mit der Entwicklung verknüpft – Kundenfeedback fließt frühzeitig in die Produktgestaltung ein. Nur so können wir Lösungen entwickeln, die technologisch relevant sind, heute und in Zukunft. Innovation entsteht im Dialog mit dem Markt.

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