Klare Werte, hohe Qualität

Interview mit Christopher Kalvelage, Geschäftsführer der HEIDEMARK GmbH

Christopher Kalvelage, Geschäftsführer der HEIDEMARK GmbH
Christopher Kalvelage, Geschäftsführer der HEIDEMARK GmbH

Laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sank der Fleischkonsum der Deutschen 2022 auf das niedrigste Niveau seit Aufzeichnungsbeginn. Der Markt ist im Umbruch – das beobachtet auch die HEIDEMARK GmbH aus Ahlhorn und stellt sich darauf ein. Der Putenspezialist Nummer eins in Europa hat unlängst den ersten Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt, in dem es neben ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten vor allem um das Tierwohl geht.

Wirtschaftsforum: Herr Kalvelage, die HEIDEMARK GmbH ist ein erfolgreiches Familienunternehmen, das Sie als Geschäftsführer in der 3. Generation leiten. Seit der Gründung haben sich der Markt und die Rahmenbedingungen deutlich verändert. Verbraucher stehen dem Genuss von Fleisch zunehmend kritisch gegenüber. Wie sah die Unternehmensentwicklung bis heute aus?

Christopher Kalvelage: Mein Großvater Reinhold Kalvelage hat das Unternehmen 1965 gegründet und schon damals Mut zum Risiko und den Willen, mehr machen zu wollen, bewiesen. Er arbeitete zu der Zeit bei einem Futtermittelproduzenten, war unzufrieden mit seiner Situation und nutzte sein Netzwerk, um sich mit einem eigenen Werk selbstständig zu machen. Per Zufall kam er einige Jahre später zu einer Putenschlachterei, die den Kern des heutigen Unternehmens bildet. Wichtig ist, dass früh erkannt wurde, wie nützlich die vertikale Integration von Prozessen ist, um Synergien zu nutzen. Mein Vater vertrat stets die Philosophie ‘Wachsen in wachsenden Märkten’; mit dem Frischebereich im Lebensmitteleinzelhandel wuchs der Markt damals, deshalb war es die richtige Entscheidung. Heute haben wir es mit einem anderen Markt und anderen Herausforderungen zu tun.

HEIDEMARK Puten im Stall
Das Wohl der Tiere steht bei HEIDEMARK an erster Stelle;
HEIDEMARK rohe Putenkeulen
Putenfleisch von HEIDEMARK steht für Geschmack, Qualität und Tierwohl

Wirtschaftsforum: Wie ist HEIDEMARK heute aufgestellt, um diese Herausforderungen anzunehmen?

Christopher Kalvelage: Wir konzentrieren uns auf den einen Standort Ahlhorn, wo täglich in einer Linie 60.000 Tiere geschlachtet werden können. Heute kann man nur wettbewerbsfähig sein, wenn man Skaleneffekte richtig nutzen kann; der Druck von außen ist sehr groß, vor allem von polnischer Seite. Wir haben etwa 1.600 Mitarbeiter, setzen 700 Millionen EUR um und machen im deutschen Putenmarkt rund 50% aus. Wichtig ist, dass wir über die gesamte Wertschöpfungskette vertikal integriert sind, auch wenn es das ursprüngliche Futtermittelwerk heute nicht mehr gibt. Wir haben eine eigene Lebendtierlogistik, machen den größten Teil der Kühllogistik selbst und sind für Schlachtung, Zerlegung, Konfektionierung und Verarbeitung verantwortlich. Wir haben eigene Farmen, arbeiten aber schwerpunktmäßig mit landwirtschaftlichen Partnerbetrieben zusammen. Eigene Farmen sind ideal, um neue Ansätze zu testen. Wir versuchen immer innovativ und dem Markt voraus zu sein. Zudem haben wir eine eigene Brüterei und Tierärzte, die auch unsere Mäster betreuen. Darüber steuern wir das Tierwohl und die Haltungsbedingungen.

Wirtschaftsforum: Wofür steht die Philosophie der vertikalen Integration?

Christopher Kalvelage: Je mehr Integration ich in einem Unternehmen habe, umso mehr stehe ich hinter dem Produkt des Unternehmens. Wir stehen für das, was wir tun. Diese Identifikation schafft auch Vertrauen.

HEIDEMARK gebratene Putenkeulen
Der Spezialist für Putenfleisch hält 50% der Anteile am deutschen Markt

Wirtschaftsforum: HEIDEMARK gehört weltweit zu den Top-Anbietern auf dem Putenmarkt. Wird dieses dynamische Wachstum sich fortsetzen?

Christopher Kalvelage: Wie schon gesagt haben sich die Zeiten geändert. Der Konsum von Fleisch nimmt ab, es gibt immer mehr Fleischalternativen, die allerdings nach wie vor einen verschwindend geringen Anteil am Gesamtmarkt ausmachen. Wir haben das Glück, dass der Geflügelmarkt im Frischebereich am besten positioniert ist. Dennoch muss man die Augen aufhalten und nach neuen Bereichen schauen. Uns stellt sich die Frage nach einem möglichst runden, arrondierten Konzept am Standort Ahlhorn. Nachhaltigkeit ist ein zentraler Aspekt, mit dem wir uns seit Langem auseinandersetzen. Wir haben eine eigene Kläranlage, setzen auf Wärmerückgewinnung und Wasseraufbereitung, auf vielen Farmen gibt es Photovoltaikanlagen, deren Energie eingespeist wird. Diesen Weg werden wir gezielt weitergehen. Eine andere Herausforderung ist, dass der Markt sich momentan sehr diffus darstellt. Einerseits gibt es auf globaler Ebene einen rapide steigenden Fleischkonsum, anderseits stagniert der nationale Fleischkonsum. Wie die künftige Entwicklung aussehen wird, ist unklar. Wird es nur noch Fleischalternativen geben? Eine aktuelle Studie belegt, dass Geflügel auch in Zukunft als Proteinquelle eine wichtige Rolle spielen wird. Es fällt schwer, vor diesem Hintergrund eine klare Linie zu finden. Klar ist, man muss nah am Markt sein und Trends und Entwicklungen genau beobachten; auch im Fleischalternativenbereich.

Wirtschaftsforum: Gibt es angesichts dieser Marktbedingungen bestimmte Impulse, die Sie dem Unternehmen geben möchten?

Christopher Kalvelage: Ich halte es für essenziell, immer wieder neue Impulse zu geben. Märkte und Rahmenbedingungen ändern sich von einem Tag auf den anderen, das haben Vogelgrippe und Corona gezeigt. Hier muss man schauen, wie man sich im Spannungsfeld von Wirtschaft und Politik positioniert. Ich selbst verstehe mich als Koordinator oder Vermittler zwischen den Unternehmensbereichen Zentrale Dienste, Produktion, Grüne Seite und Vertrieb. Darüber hinaus nehme ich viele politische Termine wahr, weil ich den Landwirten, als deren Vertreter ich mich auch sehe, Perspektiven verschaffen möchte. Genau das macht das Landwirtschaftsministerium momentan zu wenig. Einheitliche Regelungen auf europäischer Ebene wären wünschenswert. Die Tierwohl- und Produktionsstandards in Deutschland sind mit die höchsten weltweit. Diese Standards auf eine einheitliche europäische Ebene zu bringen, wäre für alle Bereiche von Vorteil. HEIDEMARK arbeitet mit Konzepten wie Haltungsform 3, Initiative Tierwohl oder einer gentechnisch unveränderten Fütterung; die Preise sind entsprechend hoch. Gleichzeitig liegen unsere Produkte im Regal neben deutlich billigeren. Diese fehlende Wettbewerbsgleicheit kann man nur temporär puffern.

HEIDEMARK Putenbrust
Schenkel, Keulen, Steaks, Geschnetzeltes, Hackfleisch – HEIDEMARK liefert das, was der Kunde wünscht
HEIDEMARK Putenbruststreifen
Als Proteinlieferant geht an hochwertigem Putenfleisch kein Weg vorbei

Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielt die Digitalisierung für HEIDEMARK?

Christopher Kalvelage: Eine zentrale Rolle. Als Unternehmen sind wir mit vielen Partnern eng verflochten; eine schnelle Koordination ist notwendig und nur über digitale Prozesse zu realisieren. KI wird in Zukunft bedeutsamer werden, sei es bei Legehennen zur Geschlechtsbestimmung im Ei, für die Tiergesundheit in Ställen, Monitoringthemen, Warenwirtschaftsströmen oder Logistikthemen. Wir werden mit diesem Prozess, der nie enden wird, Schritt halten.

Wirtschaftsforum: Welche Pläne oder Visionen gibt es für die Zukunft?

Christopher Kalvelage: Wir werden da sein, wo der Markt hingeht, werden Ahlhorn als europaweit wettbewerbsfähigen Standort ausbauen, die vertikale Integration nach vorne treiben und weiter vertriebsstark arbeiten. Im Fokus wird dabei immer die Zufriedenheit der Kunden stehen.