Die Logistikriesen der Meere
Interview mit Richard Bingham, Trade & Marketing Director der Maersk Deutschland A/S & Co. KG
Mit über 300 Büros in 114 Ländern und 29.700 Mitarbeitern an Land und auf See ist Maersk Line die größte Containerreederei der Welt. Insgesamt sind 630 Containerschiffe auf allen Ozeanrouten für die 1928 gegründete Schifffahrtsgesellschaft unterwegs – für 59.000 Kunden auf allen Kontinenten. Der Hauptsitz befindet sich in Kopenhagen. Wirtschaftsforum hat mit Richard Bingham, Trade & Marketing Director von Maersk Deutschland, über die schwierige Situation der Containerschifffahrt gesprochen und darüber, mit welcher Strategie Maersk die gegenwärtigen Herausforderungen in dieser ‘geheimnisvollen’ Branche meistert.
Wirtschaftsforum: Herr Bingham, was fasziniert Sie so an der Containerindustrie?
Richard Bingham: Oh, das ist irgendwie eine geheimnisvolle Branche. Die meisten Leute wissen nicht viel darüber, aber alles, was man hat, war einmal in einem Container über die Weltmeere unterwegs. Wussten Sie zum Beispiel, dass die Besatzung auf einem Riesen-Containerschiff nur 13 Mann stark ist?
Wirtschaftsforum: Was ist das Besondere an Ihrem Markt?
Richard Bingham: Bei der Containerschifffahrt handelt es sich um eine Branche mit hohen Investitionen in Sachanlagen, vor allem Containerschiffe. Es dauert etwa zwei Jahre, bis ein Schiff fertig gebaut ist. Und niemand kann wissen, wie sich dann die Nachfrage gestaltet. Das macht es schwierig, sich anzupassen, wenn sich die globale Nachfrage zunehmend volatil und unvorhersehbar entwickelt. Es ist eine Art Teufelskreis.
Wir sehen, dass unsere Wachstumsraten zurückgehen und entscheiden, dass wir größere Schiffe brauchen. Dann stellt sich die Frage, wie bekommen wir die Schiffe voll. Das kann man erreichen, indem man die Preise senkt, umso mehr Kunden zu gewinnen. Gleichzeitig machen die Wettbewerber das Gleiche, während die globale Nachfrage zurückgeht. Wir müssen uns als Branche auf geringeres Wachstum einstellen. Gleichzeitig muss man sehen, dass die Containerschifffahrt ein Massenmarkt mit sehr ähnlichen Leistungen ist. Das heißt, es kommt vor allem darauf an, die Kosten im Griff zu haben und die Effizienz zu steigern.
Wirtschaftsforum: Eine Möglichkeit, in diesem sehr wettbewerbsintensiven Umfeld die Effizienz zu steigern, ist ja auch die Digitalisierung von Geschäftsprozessen. Wie weit sind Sie hier fortgeschritten?
Richard Bingham: Da sind wir als Branche noch lange nicht so weit, wie wir könnten. Wir erhalten nach wie vor Aufträge per Fax. Wir nutzen Flugdrohnen, die Sachen aufs Schiff bringen, aber digitale Auftragsverarbeitung ist eine harte Nuss. Es geht um sehr hohe Investitionen in IT, um Hunderte von Kundenplattformen zu einer digitalen IT-Landschaft zu verbinden.
Wirtschaftsforum: Vor Kurzem hat die südkoreanische Reederei Hanjin Shipping Insolvenz angemeldet. Sehen Sie weitere Fälle dieser Art auf die Branche zukommen, Herr Bingham?
Richard Bingham: Ja, wir werden noch mehr Konsolidierung in den nächsten 12 bis 18 Monaten sehen. Für die meisten Containerreedereien sind die Aussichten nicht sehr gut.
Wirtschaftsforum: Welche Marktposition hat Maersk, und wie sehen Sie die Entwicklung für das laufende Jahr?
Richard Bingham: Maersk ist weltweit die Nummer eins, mit einem globalen Marktanteil nach Schiffskapazitäten von 13,5 bis 14%. In 2016 sind die Frachtraten bisher deutlich zurückgegangen, aber wir glauben, dass wir dieses Jahr den Boden erreicht haben. In den ersten sechs Monaten konnten wir das Transportvolumen sogar steigern. Der Preis dafür waren jedoch um rund 10% geringere Erlöse.
Wirtschaftsforum: Maersk verfügt über ein globales Netzwerk, mit Büros in nahezu allen Häfen auf der ganzen Welt. Inwiefern ist dies ein Vorteil für Sie?
Richard Bingham: Wir sind weltweit präsent. Das ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für uns. Wenn es in einer Region nicht so gut läuft, können wir das durch andere Regionen leichter kompensieren. Und es ist auch gut für unsere Kunden. Denn so können sie die Anzahl ihrer Zulieferer reduzieren und erhalten weltweit den gleichen, hohen Standard.
Wirtschaftsforum: Wenn Sie einmal zusammenfassen sollten, Herr Bingham, wie unterscheidet sich Maersk von der Konkurrenz?
Richard Bingham: Wir halten unser Versprechen und erfüllen den Auftrag des Kunden, und das zuverlässig, flexibel und möglichst umweltfreundlich. Kundenzufriedenheit steht für uns an erster Stelle, mehr als bei anderen Reedereien. Alles was wir tun, dient ausschließlich dem Zweck, dem Kunden eine optimale Lösung für seine Transportprobleme zu bieten. Außerdem investieren wir laufend in neues Equipment, in Schiffe ebenso wie in IT-Lösungen. Deshalb sind wir die Nummer eins. Ich habe einmal gelesen, dass unsere Konkurrenten sechs Monate abwarten, nachdem wir etwas Neues eingeführt haben. Wenn es dann läuft, machen sie es nach. Eine bessere Bestätigung gibt es nicht.
Wirtschaftsforum: Was sind Ihre Pläne für die nächsten drei bis fünf Jahre?
Richard Bingham: Wir gehen davon aus, dass die Frachtraten wieder ansteigen und dass die Konsolidierung auf Anbieterseite weiter zunehmen wird. Vor diesem Hintergrund wollen wir vor allem unsere digitalen Services weiter ausbauen und es so einfacher machen, mit uns zusammenzuarbeiten.