Von der Idee zur Lösung: Getriebe, die den Unterschied machen
Interview mit Klaus Deleroi, Geschäftsführer der REINTJES GmbH
Die Elektromobilität und die Forderung nach mehr Nachhaltigkeit revolutionierten den gesamten Bereich der Antriebstechnik. Es gilt, neue Benchmarks in Sachen Effizienz, Umweltfreundlichkeit und Performance zu setzen. Die REINTJES GmbH aus Hameln, ein weltweit renommierter Spezialist für Antriebstechnik, setzt hier seit Jahren Maßstäbe mit innovativen und zukunftsweisenden Lösungen. Zurzeit hauptsächlich auf den maritimen Bereich konzentriert, will sich das Unternehmen in der nächsten Zeit industriell stärker aufstellen.
Wirtschaftsforum: Herr Deleroi, Sie sind Spezialist in der Entwicklung und Produktion von Schiffsgetrieben. Welche Art von Getriebe stellen Sie her?
Klaus Deleroi :Unser Unternehmensgründer hat noch vor dem 2. Weltkrieg das Wendegetriebe erfunden, mit dem man die Drehrichtung der Ausgangswelle im Vergleich zur Eingangswelle umkehren kann. Diese Getriebe werden in der Schifffahrt eingesetzt, um die Drehrichtung des Propellers zu ändern und das Manövrieren und Wenden des Fahrzeugs zu erleichtern. Inzwischen stellen wir unterschiedliche Getriebe her, je nach Anforderungen, zum Beispiel für Arbeitsschiffe, schnelle Schiffe oder schnelle Fähren. Insbesondere die Großgetriebe werden alle individuell auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten. Seit 2014 beschäftigen wir uns auch mit dem Thema der elektrischen und hybriden Antriebssysteme.
Wirtschaftsforum: Das Thema E-Mobilität hat also auch die Schifffahrt erreicht?
Klaus Deleroi: Selbstverständlich. Alle Cargo-Reeder müssen an ihrer Dekarbonisierung arbeiten, ihren CO2-Ausstoß reduzieren. Die Schifffahrt soll sauberer werden. Gerade die großen Anbieter möchten alle Methanol-ready fahren. Der Trend geht deshalb zu Getrieben mit mehreren Antrieben. Aktuell fährt man hybrid. Im nächsten Schritt wird es um reine E-Antriebe gehen, zunächst aber vor allem für Schiffe, die nicht so weite Strecken fahren, wie zum Beispiel Hafenschiffe.
Wirtschaftsforum: Was tut REINTJES, um den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern?
Klaus Deleroi: Wir haben unsere eigene Photovoltaikanlage und verhandeln zurzeit mit den Stadtwerken über die Anmietung eines Windrades. Wir sind an die Fernwärme angeschlossen, benötigen also ‘nur’ Strom. Vor Kurzem haben wir ein neues Projekt gestartet. Wir kaufen alte Getriebe oder Getriebe aus verschrotteten Schiffen, arbeiten diese auf und stellen sie dem Markt für einen geringeren Preis wieder zur Verfügung. Kreislaufwirtschaft ist hier das Stichwort.
Wirtschaftsforum: Konzentrieren Sie sich ausschließlich auf Getriebe und Antriebssysteme?
Klaus Deleroi: Hier liegt ganz klar unsere Kernkompetenz. Aber auf Kundenwunsch produzieren wir in unserer Lohnfertigung auch einzelne Bauteile, wie zum Beispiel Zahnräder, Wellen oder komplette Radsätze.
Wirtschaftsforum: Wer sind Ihre Kunden und woher kommen sie?
Klaus Deleroi: Rund 70% unserer Kunden sind Werften. Darüber hinaus richten wir uns aber auch an Motorenhersteller, wie zum Beispiel MAN. Die Niederlande sind für uns aktuell der mit Abstand wichtigste Markt. Grundsätzlich sind wir aber in ganz Europa aufgestellt. Hier werden noch kleinere Schiffe gebaut. Aber auch Kunden in Südostasien und in der Türkei stehen auf unserer Referenzliste. Unseren Einkauf konzentrieren wir allerdings ganz bewusst nur auf Europa. Wir kaufen weder in den USA noch in China.
Wirtschaftsforum: Was unterscheidet REINTJES im Wettbewerb von anderen Anbietern?
Klaus Deleroi: Zunächst einmal sind unsere Produkte qualitativ hochwertig, robust und langlebig. Unsere Kunden wissen darüber hinaus aber vor allem unsere persönliche Ansprache und die Nähe zu schätzen. Unsere Beratungskompetenz ist ein wichtiger Faktor für unseren Erfolg. Wir hören unseren Kunden genau zu, sodass wir verstehen, was sie wirklich brauchen und ihnen die für sie beste Lösung empfehlen können.
Wirtschaftsforum: Was sind Ihre Themen für das zweite Halbjahr 2024?
Klaus Deleroi: Hybridisierung und Dekarbonisierung sind zwei wichtige Themen in der nächsten Zeit – hier müssen wir unsere Produkte weiterentwickeln. In zwei Jahren sollen 20 bis 25% all unserer Getriebe elektrisch oder hybrid sein. Im Moment gibt es noch eine Preishürde, die viele Kunden abschreckt. Wir werden außerdem unser Portfolio konsequent erweitern, zum Beispiel um komplette Antriebsstränge inklusive Propeller, eventuell sogar mit Batterie. Das wird uns in die Lage versetzen, Komplettpakete anzubieten. Die Werften haben ein großes Problem, Engineering-Fachkräfte zu finden. Hier können wir mit ganzheitlichen Lösungen unterstützen. Zurzeit konzentrieren wir uns noch hauptsächlich auf den maritimen Markt. In der nächsten Zeit möchten wir uns noch stärker im industriellen Bereich aufstellen, um ein zweites Standbein aufzubauen und von der Schifffahrt unabhängiger zu werden.
Wirtschaftsforum: Aktuell wird die Wirtschaft in Deutschland von vielen Unsicherheiten geprägt. Was ist dazu Ihr Appell an die Politik?
Klaus Deleroi: Schifffahrt ist essenziell – auch in Deutschland. Das Thema wird aber von der Regierung nach wie vor vernachlässigt. Wir können dazu beitragen, unsere Welt ein Stück weit sauberer zu machen. Dazu muss man uns aber wahrnehmen und uns auch zuhören.