Agieren statt reagieren

Interview mit Hans-Jürgen Schwarz, Geschäftsführer der Ambulanz Mobile GmbH & Co. KG

Ambulanz Mobile GmbH & Co. KG Innovationsgeist
Beispielhaft für den Innovationsgeist des Unternehmens: Rettungswagen mit Drohne

„Wenn man keine Visionen und Ziele mehr hat, sollte man nur noch Golf spielen.“ Hans-Jürgen Schwarz, von dem das Zitat stammt, spielt noch längst nicht Golf. Der Gründer und Geschäftsführer der Ambulanz Mobile GmbH & Co. KG ist leidenschaftlicher Kinderbuchautor, hat Steve Jobs als Vorbild – und Visionen. Die in Schönebeck entwickelten Spezialfahrzeuge retten Leben.

Wirtschaftsforum: Herr Schwarz, der Name des Unternehmens ist Programm. Die Ambulanz Mobile GmbH & Co. KG ist ein Spezialist für den Aufbau von Krankentransportern, Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeugen und hat sich auf dem Markt nicht nur Ansehen, sondern eine führende Marktposition erarbeitet. Wie begann diese Erfolgsgeschichte? 

Hans-Jürgen Schwarz: Die Geschichte der Ambulanz Mobile begann nach der Wende, aber die Wurzeln reichen weiter zurück. Zu DDR-Zeiten habe ich als Maschinenbauingenieur im Traktorenwerk gearbeitet, damals ein großes Unternehmen mit 7.000 Beschäftigten. Von 1986 bis zur Wende war ich dort Produktionsleiter, dann ging das Werk in die Treuhand über. Als ich das Angebot bekam, mit dem damaligen Gesellschafter und einem weiteren Kollegen eine neue Firma zu gründen, habe ich nicht gezögert. 1991 haben wir mit sechs Mitarbeitern begonnen, eine Gesellschaft für Spezialfahrzeuge für mobilitätseingeschränkte Personen aufzubauen. 

Hans-Jürgen Schwarz, Geschäftsführer der Ambulanz Mobile GmbH & Co. KG
Hans-Jürgen Schwarz, Geschäftsführer der Ambulanz Mobile GmbH & Co. KG

Wirtschaftsforum: Sie sind Gründer, Mehrheitsgesellschafter und CEO. Wie sieht die Struktur genau aus? 

Hans-Jürgen Schwarz: Wir sind ein klassisches Familienunternehmen, in dem auch meine Frau Dagmar Schwarz und meine Söhne Raik Schwarz und Frank Lundershausen mitarbeiten. Letzterer ist seit dem 1. Juni dieses Jahres Minderheitsgesellschafter und kaufmännischer Geschäftsführer. Dr. Torsten Bunge ist COO. 

Wirtschaftsforum: Auf dem Gelände des ehemaligen Traktorenwerks werden jährlich 1.300 Spezialfahrzeuge gebaut. Um welche Fahrzeuge handelt es sich dabei? 

Hans-Jürgen Schwarz: Wir konzentrieren uns auf vier Geschäftsbereiche. Kraftfahrzeuge für mobilitätseingeschränkte Personen (KMP), Krankenwagen, die auf Fahrgestellen von Mercedes, Ford, MAN und VW basieren – hier sind wir in Europa Marktführer –, Notarzteinsatzfahrzeuge und Rettungstransportwagen. Bei den NEF geht es um kleinere Fahrzeuge, die wir technisch kontinuierlich weiterentwickelt haben. Beispielhaft sind im Dach integrierte, patentierte Blaulichtanlagen. In Deutschland baut niemand mehr NEF als wir. Dabei kooperieren wir eng mit den großen Herstellern, bauen zum Teil eigene Dächer auf die Fahrzeuge und übernehmen den Innenausbau. Weil größtmögliche Sicherheit für Patienten und Personal Priorität hat, orientieren wir uns an der EN 1789 und setzen auf Crashtests, die deutlich über der Norm liegen. 

Ambulanz Mobile GmbH & Co. KG Valeris V21
VALERIS V21 –Nachhaltigkeit at its best
Ambulanz Mobile GmbH & Co. KG Ford Transit
Auf Basis des Ford Transit entstehen Fahrzeuge, die Leben retten

Wirtschaftsforum: Wer sind Ihre Kunden und wie erreichen Sie diese? 

Hans-Jürgen Schwarz: Wir beliefern Feuerwehren, Rettungsdienste und Hilfsorganisationen sowie Taxi- und Busunternehmen, auch in 41 Ländern der Welt. Der Exportanteil liegt bei etwa 35%. Unser am weitesten entfernter Kunde kommt aus Auckland, Neuseeland, unser größter Einzelkunde ist der Freistaat Bayern, für den wir seit 2009 sämtliche Krankenwagen und Notarztfahrzeuge stellen. Im Vertrieb verfolgen wir unterschiedliche Ansätze; wir haben den klassischen Außendienst, aber auch Partner in den Niederlanden, der Schweiz, Slowenien, Ungarn, Finnland und seit Kurzem in Spanien, die für die Akquise und die Komplettierung der Fahrzeuge zuständig sind. In Deutschland verkaufen wir direkt. Um uns mit Kunden auszutauschen, sind wir bei vielen Veranstaltungen und Messen präsent. Eine besondere Rolle spielen dabei die RETTmobil in Fulda und unsere eigene Hausmesse. 

Wirtschaftsforum: 350 Mitarbeiter, europäischer Marktführer, 110 europäische Patente und Schutzrechte – was ist für Sie der Schlüssel zum Erfolg?

Hans-Jürgen Schwarz: Ständige Innovation, Ökologie und Nachhaltigkeit sowie Qualität und Service sind Stärken, die uns vom Markt absetzen. Vor allem agieren wir, statt zu reagieren; wir sind Vordenker und nicht Mitläufer. 

Ambulanz Mobile GmbH & Co. KG Valeris
Weniger Gewicht, weniger Klebstoff, herausnehmbare Innenausstattungselemente – der VALERIS setzt neue Maßstäbe
Ambulanz Mobile GmbH & Co. KG Wechselkoffer
RTW Tigis – innovativer Wechselkoffer für höchste Sicherheitsansprüche

Wirtschaftsforum: Wie nachhaltig sind die Fahrzeuge? 

Hans-Jürgen Schwarz: Wir arbeiten mit Materialien, die sortenrein und recycelbar sind – zum Beispiel mit vakuumtiefgezogenem Kunststoffmaterial – und setzen auf eine herausnehmbare Innenausstattung, um Produkten ein zweites Leben zu ermöglichen. Bei unserem KTW Valeris V21 konnten wir durch neue Technologien 20 kg Klebstoff und 60 kg Gewicht einsparen. Dass sich Qualität langfristig auszahlt, auch in ökologischer Hinsicht, zeigt eine schöne Geschichte. Wir haben unlängst ein Fahrzeug zurückgekauft, das 1.067.000 km gelaufen ist. Es ist so gut gepflegt, dass wir Teile ausbauen und in ein neues, baugleiches Fahrzeug einbauen können. 

Wirtschaftsforum: Ambulanz Mobile überzeugt nicht nur mit innovativen Qualitätsprodukten, sondern auch mit einem besonderen Spirit. Welche Werte werden am Standort Schönebeck gelebt? 

Hans-Jürgen Schwarz: Respekt, Achtung und ein partnerschaftlicher Umgang. Wir haben Mitarbeiter aus 13 verschiedenen Ländern; uns geht es immer um den Menschen und um seine persönliche Leistungsbereitschaft. Wir übernehmen Verantwortung für sie und möchten zeigen, dass es auch in Zukunft weitergeht. Deshalb haben wir die Agenda 2034 erarbeitet, in der es um die Entwicklung der Mitarbeiter und Produkte geht, um Digitalisierung und KI, vor allem aber um realistische Ziele und Visionen.