Sehen, was sonst verborgen bleibt

Interview mit Dr. René Heine Geschäftsführer der Cubert GmbH

Dr. René Heine Geschäftsführer der Cubert GmbH
Dr. René Heine Geschäftsführer der Cubert GmbH

Chlorophyllgehalt in Pflanzen messen, Hämoglobinfluss verfolgen oder Kontaminationen erkennen – die Ulmer Firma Cubert macht mit hyperspektraler Bildgebung das Unsichtbare sichtbar. Ihre Spezialkameras führen komplette chemische Analysen in Echtzeit durch, wo herkömmliche Technik versagt. Ein Gespräch über Technologietransfer und nachhaltiges Wirtschaften.

Wirtschaftsforum: Herr Dr. Heine, Cubert wurde 2012 gegründet. Wie entstand die Geschäftsidee?

Dr. René Heine: Wir sind eine Ausgründung aus der Medizintechnik und haben festgestellt, dass Medizintechnik oft Anwendung in der Fernerkundung findet, weil die Themen interessanterweise nahe beieinander liegen: Bei beiden geht es um Bildgebung, nur einerseits im sterilen Labor und andererseits draußen im Feld. Wir haben recht zügig Kunden gefunden, die toll fanden, was wir mit Spektrometern schon erreichen konnten. Das haben wir dann in die Welt außerhalb des Labors transferiert.

Wirtschaftsforum: Was macht Ihre Technologie so besonders?

Dr. René Heine: Wir können Spektroskopie mit kompletten Videos abbilden – das ist eine Technik, die vor 2012 noch gar nicht existiert hat. Damals konnte man entweder einen Punkt aufnehmen oder eine Linie. Wir hatten durch unsere Forschung eine Möglichkeit gefunden, komplette Videos aufzunehmen mit bewegten Bildern, und in jedem Punkt hat man ein Spektrum. Spektrum heißt bei uns chemische Aufklärung. Wir können zum Beispiel erkennen, wieviel Chlorophyll eine Pflanze enthält oder wie wie hoch der Hämoglobingehalt des Blutes ist, das gerade durch die Adern fließt.
 

Cubert GmbH Hyperspektrale Bildgebun
Hyperspektrale Bildgebung erfasst nicht nur Farben – sondern auch chemische Informationen

Wirtschaftsforum: In welchen Bereichen wird Ihre Technologie eingesetzt?

Dr. René Heine: Die Anwendungsfelder sind sehr weit. Wir haben Kunden, die damit noch im Ei feststellen können, ob das Küken männlich oder weiblich ist – so können sie das Schreddern verhindern. Dann haben wir Kunden, die eine Alzheimererkrankung über das Auge feststellen können, während der Patient zur normalen Augenkontrolle geht. Und wir haben andere Kunden, die beschäftigen sich mit Pflanzenkrankheiten, Düngung und Umweltthemen. Ohne unsere Kunden hätten wir nicht die Chance, diese breiten Felder zu beackern – sie sind die eigentlichen Experten.

Wirtschaftsforum: Wie hat sich das Unternehmen entwickelt und wie ist es heute aufgestellt?

Dr. René Heine: Nach zwei Jahren Seed Funding steht das Unternehmen seit 2014 auf eigenen Beinen. Heute sind wir 20 Mitarbeiter in Ulm und haben 4 Millionen EUR Jahresumsatz – nach Corona 2020 kamen wir richtig in die Wachstumskurve. Wir verkaufen dabei deutlich mehr ins Ausland als nach Deutschland. Der Markt teilt sich fast gleichmäßig auf Amerika, Europa und Asien auf. 70% unseres Geschäfts sind Hardwareverkäufe, 30% Applikationsentwicklung – also die Befähigung unserer Kunden, mit unseren Produkten neue Lösungen zu finden.

Cubert GmbH ULTRIS X20 Plus
ULTRIS X20 Plus im Drohneneinsatz: Hyperspektrale Präzision aus der Luft

Wirtschaftsforum: Sie haben kürzlich einen Growth Capital Deal abgeschlossen. Warum dieser Strategiewechsel?

Dr. René Heine: Bis hierhin sind wir organisch gewachsen – wir haben das Geld, das wir erwirtschaftet haben, wieder reinvestiert. Das ist gut, um mit geringem Risiko eine Firma aufzubauen, aber ab einem gewissen Punkt sehen wir in unserem Markt nicht mehr das Potenzial, nur organisch zu wachsen. Wir wollen jetzt Geld in die Hand nehmen, um das Geschäft nachhaltig zu steigern – sowohl durch Investitionen in den eigenen Betrieb als auch in Partnerfirmen, die wir anstreben.

Wirtschaftsforum: Wie nutzen Sie künstliche Intelligenz in Ihrem Unternehmen?

Dr. Rene Heine: Wir benutzen neuronale Netze für die Datenauswertung unserer Kameras, und viele Kunden nutzen KI für die Datenanalyse mit unseren Geräten. Ich persönlich beschäftige mich täglich etwa eine Stunde mit KI für meine Geschäftsführertätigkeiten. Jeder unserer Mitarbeiter hat inzwischen einen eigenen Account für KI-Unterstützung. Wenn man weiß, wie man die Tools verwendet, sind sie ein wahnsinnig gutes Werkzeug – die Effizienzsteigerung, die sich damit erreichen lässt, wird noch stark unterschätzt.

Wirtschaftsforum: Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in den nächsten Jahren?

Cubert GmbH ULTRIS X20
Die ULTRIS X20 ist das Herzstück: eine kompakte hyperspektrale Kamera mit spektroskopischem Feingefühl

Rene Heine: Wir wollen unsere Firma als Lösungsanbieter für die komplette Robotik aufstellen. Die Automatisierung kann aktuell nur das wahrnehmen, was das menschliche Auge auch wahrnehmen kann – also rot, grün und blau. Wir möchten dieses althergebrachte System so ergänzen, dass die Systeme leistungsfähiger werden und das ganze Spektrum sehen. Das hilft in der Medizin, bei der Qualitätskontrolle, bei der Vermeidung von Abfällen oder der Reduzierung von Düngemitteln in der Landwirtschaft. Wir sehen darin einen großen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Welt – und das treibt uns an.

Wirtschaftsforum: Haben Sie eine politische Botschaft?

Rene Heine: Ich wünsche uns in Deutschland das Beste. Es ist an der Zeit, dass wir über Partei-
grenzen hinweg denken. Wir haben eine Aufgabe zu lösen – und zwar als Gesellschaft. Dass das gelingt, würde ich mir für die Politik wünschen. Uns allen wäre geholfen, wenn die jetzige Regierung erfolgreich ist – da sollten wir alle mal unsere politischen Brillen abnehmen.

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