Italienische Tradition in europäischen Geschmack verwandeln
Interview mit Luigi Bravi, Präsident und Eigentümer
Fladenbrote, weiche Sandwichbrote und vorgebackene Focaccias – einst traditionelle Grundnahrungsmittel der italienischen Küche, sind heute Teil eines boomenden europäischen Bäckereisektors, der durch Qualität, Bequemlichkeit und Innovation angetrieben wird. Ein Unternehmen, das diese Transformation von Anfang an mitgestaltet und gefördert hat, ist Orva S.p.A. Das 1979 in der Region Emilia-Romagna in Italien gegründete Familienunternehmen hat sich von einem regionalen Distributor zu einem der dynamischsten privaten Labelproduzenten von Backwaren in Europa entwickelt. Mit einem breiten Produktportfolio, modernster Produktion und einem klaren Bekenntnis zur Nachhaltigkeit positioniert sich Orva nun an der Spitze des europäischen Lebensmittelmarktes.
European Business: Herr Bravi, könnten Sie uns einen Überblick darüber geben, wie sich das Unternehmen seit seiner Gründung entwickelt hat?
Luigi Bravi: Orva wurde 1979 als Lebensmittelverteilungszentrum gegründet. Anfangs konzentrierten wir uns auf das Marketing von Produkten verschiedener italienischer Hersteller. In den 1990er Jahren leitete ich eine Verschiebung hin zur industriellen Produktion ein. Wir begannen mit der traditionellen Piadina Romagnola und erweiterten allmählich unser Angebot auf andere Arten von Flachbroten und weichen Backwaren. Im Jahr 2002 erwarb ich 100% der Unternehmensanteile, was es mir ermöglichte, meine eigene strategische Vision ohne Kompromisse umzusetzen. Seitdem hat sich Orva kontinuierlich gewandelt – stets geleitet von dem Ziel, dem Markt immer einen Schritt voraus zu sein.
European Business: Wie würden Sie die Struktur und die Einrichtungen des Unternehmens heute beschreiben?
Luigi Bravi: Unser Hauptsitz befindet sich in Bagnacavallo, in der Nähe von Ravenna. Darüber hinaus betreiben wir drei Produktionsstätten in der Region Emilia-Romagna – zwei in Bagnacavallo und eine in Misano. Diese sind modernste Anlagen, ausgestattet mit modernen Backlinien und vollintegrierten Logistiksystemen. Derzeit beschäftigen wir über 400 Personen, von denen 70% Frauen sind, mit einem relativ jungen Durchschnittsalter.
European Business: Wie ist Ihr aktueller Marktabdruck?
Luigi Bravi: Obwohl der italienische Markt weiterhin wichtig ist, schreitet die Internationalisierung schnell voran. Unser Exportanteil stieg von 7% im Jahr 2023 auf 25% im Jahr 2024, und wir erwarten, dass er bis Ende dieses Jahres 40% erreichen wird.
Für 2026 zielen wir auf über 50%. Unser Fokus liegt vollständig auf dem europäischen Markt, wo wir bereits Länder wie Deutschland, Österreich, Schweden, Norwegen und Polen bedienen. Die Nachfrage nach hochwertigen Backwaren ist stark – insbesondere im Segment der Handelsmarken, welches unser Kerngeschäft ist.
European Business: Was kennzeichnet Ihr Produktsortiment?
Luigi Bravi: Wir bieten eine breite Auswahl an Backwaren – von traditioneller Piadina bis zu weichen Sandwichbroten, Wraps und Bauletti (weiches Brot). Eine besondere Erfolgsgeschichte ist unsere Pinsa, ein vorgebackenes Steinofenprodukt mit doppelter Gärung. Es ist hoch verdaulich, vielseitig und passt gut zum schnellen Lebensstil der heutigen Verbraucher. Wir sind auch stark in Bio-, Vollkorn- und Clean-Label-Produkten. Dank der modifizierten Atmosphärenverpackung können viele unserer Artikel außerhalb der Kühlung gelagert werden, was Flexibilität für unsere Einzelhandelspartner bietet.
European Business: Sind Ihre Kunden ausschließlich B2B?
Luigi Bravi: Ja, wir produzieren fast ausschließlich für Handelsmarken-Kunden – hauptsächlich große europäische Einzelhandelsketten und Discounter. Neben direkten Verträgen arbeiten wir mit spezialisierten Importeuren und Vertriebshändlern in verschiedenen Märkten. Das Wichtigste für unsere Kunden ist ein hoher Servicestandard, gleichbleibende Produktqualität und zuverlässige Lieferungen – auch während saisonaler Aktionen, wenn die Bestellmengen erheblich steigen können.
European Business: Wie stellen Sie sicher, dass Orva sich in einem wettbewerbsintensiven Umfeld von Handelsmarken von anderen Lieferanten abhebt?
Luigi Bravi: Wir differenzieren uns durch drei Schlüsselfaktoren: Qualität, Preis und – am wichtigsten – Service. Dieser bedeutet, genau das zu liefern, was der Kunde benötigt, genau dann, wenn er es benötigt. Das erfordert eine flexible, reaktive Produktionsstruktur und ein Team, das die Dynamik der Einzelhandelslogistik versteht. Unsere Stärke liegt in unserer Fähigkeit, schnell zu skalieren, schnell neue Produkte auf den Markt zu bringen und eine hohe Qualität bei allen Volumen aufrechtzuerhalten. In diesem Sinne sind wir nicht nur ein Lieferant – wir sind ein Partner.
European Business: Lassen Sie uns über Nachhaltigkeit sprechen – was sind Ihre Prioritäten in diesem Bereich?
Luigi Bravi: Bei Orva beruht Nachhaltigkeit auf zwei Säulen: Umweltverantwortung und soziales Engagement. Wir haben Solaranlagen installiert, Wärmerückgewinnungssysteme implementiert und unsere Einrichtungen emittieren nur Wasserdampf – keine schädlichen Substanzen. Wir stellen auch auf biologisch abbaubare Verpackungen um. Auf der sozialen Seite unterstützen wir sowohl Mitarbeiter als auch die breitere Gemeinschaft. Nach den jüngsten regionalen Überschwemmungen haben wir einen Fonds eingerichtet, um betroffene Familien, einschließlich unserer Mitarbeiter, zu unterstützen. Für uns muss ein Unternehmen mehr als nur Profit machen – es muss Wert für die Gesellschaft schaffen.
European Business: Was sind Ihre strategischen Ziele für die kommenden Jahre?
Luigi Bravi: Unser Ziel ist es, im nächsten drei Jahren ein Wachstum von rund 15% pro Jahr zu erreichen. Dies beinhaltet die Erweiterung unserer Produktionskapazitäten und möglicherweise die Übernahme ergänzender Unternehmen. Wir wollen unsere Führungsposition in der Produktion von Pinsa in Europa festigen und weiterhin in unserem gesamten Produktportfolio Innovationen vorantreiben. Orva war schon immer auf Evolution ausgerichtet – und das nächste Kapitel wird keine Ausnahme sein.