Kraft aus der Knolle – lokal und fleischlos
Interview mit David Fousert, CEO der Royal Avebe
Seit Jahrzehnten ist Kartoffelstärke ein universeller Baustein des Lebens und in unterschiedlichsten Produkten und Anwendungen zu finden. Vor dem Hintergrund der wachsenden Nachfrage nach Fleischalternativen erlebt das Produkt zurzeit einen zusätzlichen Nachfrageboom. Die Kartoffelstärkefabrik der Royal Avebe in Dallmin ist ein Pionier und Marktführer in der Entwicklung von Kartoffelstärkeprodukten für den Lebensmittelmarkt.
Wirtschaftsforum: Herr Fousert, was ist die Kernkompetenz von Avebe?
David Fousert: Royal Avebe ist eine landwirtschaftliche Genossenschaft. Unser Ziel ist es, aus den Stärkekartoffeln, die unsere Mitglieder für uns anbauen, den größtmöglichen Wert für unsere Kunden und Landwirte zu erzielen. Dabei verfügen wir über ein Produktsortiment von über 1.000 verschiedenen Produkten, die wiederum in verschiedensten Anwendungsgebieten eingesetzt werden. Dazu gehören zum Beispiel die Lebensmittelbranche, die Industrie, aber auch der Gesundheitsmarkt oder der Futtermittelbereich. Unser wichtigster Markt ist der Lebensmittelmarkt in Europa, den USA und Asien. Rund 65% unseres Geschäftsvolumens entfallen darauf.
Wirtschaftsforum: Mit welchen Trends und Innovationen beschäftigen Sie sich zurzeit im Food-Bereich?
David Fousert: Aktuell treiben wir unsere Entwicklungen im Protein-Bereich voran. Kartoffelproteine sind hochfunktional und sehr nahrhaft. Sie kommen den Eigenschaften von tierischen Proteinen schon sehr nahe. Unter der Marke Solanic vertreiben wir bereits vegane Milchprodukte, Käse, Fleischalternativen oder auch Gelatine-Ersatzstoffe für den Süßwarenbereich. Wir sehen im Food-Bereich auch für die kommenden Jahre die besten Entwicklungsperspektiven für Avebe.
Wirtschaftsforum: Gibt die Nachhaltigkeitsdebatte in Politik und Wirtschaft dem Geschäft zusätzliche Impulse?
David Fousert: Produkte aus der Stärkekartoffel bieten nicht nur eine Alternative zu tierischen Produkten, sondern auch zu synthetischen und petrochemischen Produkten. Außerdem handelt es sich um ein sehr lokales Produkt, was im Vergleich zu Produkten aus zum Beispiel Südamerika Möglichkeiten der Nachhaltigkeit mit sich bringt.
Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielen die industriellen Anwendungen von Kartoffelstärke für Avebe?
David Fousert: Wir sehen wachsende Nachfrage in unterschiedlichsten industriellen Märkten, die es bislang gewohnt waren, mit nahezu unbegrenzten Mengen an chemischen und petrochemischen Produkten zu arbeiten. Im Bau- und Konstruktionsbereich ist die Nachfrage nach nachhaltigen Lösungen ein extrem wichtiges Thema. Auch hier entwickeln wir uns sehr schnell, sowohl in Europa als auch in China. Auch ein interessanter Bereich ist die Verpackungsbranche. Immer mehr Lieferungen werden in Kartons verschickt, die bislang immer mit Klebstoffen aus synthetischen Produkten verklebt wurden. Auch hier können wir interessante Alternativen bieten.
Wirtschaftsforum: Wo sehen Sie Avebe am Markt, im Vergleich zu Wettbewerbern?
David Fousert: Es gibt durchaus andere Produzenten von Kartoffelstärke. Weltweit sind wir als eine Kooperation aus deutschen und niederländischen Bauern der größte Anbieter für Kartoffelstärke und Kartoffelproteine. Nicht nur wir selbst sind in den letzten Jahren gewachsen, wir haben auch unseren Landwirten Wachstumsimpulse gegeben – durch Innovationen. Unsere Produzenten von pflanzenbasierten Produkten stehen natürlich im Wettbewerb zu herkömmlichen Anbietern von Weizen und Kornprodukten. Hier sind wir noch vergleichsweise klein, sehen aber für die nächste Zeit Wachstumspotenzial für uns. Strategisch allerdings fokussieren wir uns auf Märkte, in denen wir mit unseren Produkten tierische und synthetische Produkte und Proteine ersetzen können.
Wirtschaftsforum: Welche Themen haben Sie für den Rest des Jahres 2022 auf Ihrer Agenda?
David Fousert: Erst einmal müssen wir die aktuelle Krisensituation, mit allem, was dazu gehört, meistern. Vor allem das Energiethema ist für uns eine große Herausforderung. Wir werden in nächster Zeit in die Unabhängigkeit von Gas und fossilen Brennstoffen investieren. Wir haben bereits E-Boiler angeschafft, die ihren Strom von Windrädern und Solarparks beziehen. Das ist die Richtung, in die wir in Zukunft gehen werden. Grundsätzlich wird sich der Markt mittelfristig noch mehr in Richtung pflanzenbasierter Produkte und Proteine orientieren. Hier gibt es für uns sicherlich noch große Potenziale. In Deutschland konzentrieren wir uns, neben der Kernaktivität Kartoffelstärke, auf zwei Wachstumbereiche. Dies ist zum einen das Thema Futterproteine für Tierfutter, zum anderen das Thema Proteine für Nahrungsmittel. Deshalb haben wir im vergangenen Jahr auch eine große Investition in unser Werk in Dallmin getätigt.
Wirtschaftsforum: Welche He-rausforderungen sehen Sie, neben der geopolitischen Lage, für die nächste Zeit?
David Fousert: Eine große He-rausforderung ist der Mangel an Fachkräften, insbesondere im technischen Bereich. Deshalb investieren wir stark in Technologie und Automatisierung. Für Wachstum brauchen wir aber qualifizierte Menschen, auch junge Menschen, denen wir eine hervorragende Entwicklungsumgebung bieten können. Auch die Lieferketten bleiben eine He-rausforderung. Nach wie vor sind sie unterbrochen. Es gibt einen Mangel an Containern und Verpackungsmaterial. Die steigenden Preise und vor allem die Hyperinflation erschweren die Situation zusätzlich und bringen viel Planungsunsicherheit.
Wirtschaftsforum: Welche Vision verfolgen Sie mit Avebe?
David Fousert: Wir möchten uns als Bauerngenossenschaft durch Innovationen in der Natur weiterentwickeln. Dabei wollen wir Werte für unsere Landwirte, unsere Mitarbeiter, unsere Kunden und Partner schaffen – für alle Beteiligten also. Wachstum durch eine Kombination aus Innovation und Nachhaltigkeit – das ist unsere Mission.