Mit Laib und Seele Mühlenbäcker

Interview mit Verena Moser, Geschäftsführerin der Mühlenbäckerei Rudolf Jung GmbH & Co. KG

Mühlenbäckerei Rudolf Jung alte Bäckerei

Seit vielen Generationen leben, mahlen und backen die Mühlenbäcker im Westerwald: Die Mühlenbäckerei Rudolf Jung GmbH & Co. KG geht auf das Jahr 1615 zurück und ist eng mit dem Betrieb der Mühle in Westerburg verbunden, in der noch heute die besten Getreide aus regionalem Anbau zu Mehl gemahlen und zu köstlichen Produkten verbacken werden. Die Besonderheit des Traditionsbetriebs ist nun gleich doppelt preisgekrönt worden: zum einen mit dem Großen Preis des Mittelstandes, zum andern mit dem Goldenen Zacharias für das ‘Energiebündel’, ein Proteinbrot in Bäckerqualität.

„Für den Großen Preis des Mittelstandes war es ausschlaggebend, wie interessant unser Wachstum als Handwerk und unsere Traditionsgeschichte sind“, erläutert Verena Moser, die gemeinsam mit ihrem Bruder Martin Jung die Geschäftsführung des Familienbetriebs innehat. „Die Auszeichnung freut uns besonders, als in der letzten Zeit vielfach vergessen wurde, dass das Handwerk ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Deutschland ist. Sogar bei offiziellen Statistiken, etwa beim Statistischen Landesamt, fehlt neben Industrie, Handel und Dienstleistung oft die Rubrik Handwerk.“

Verena Moser, Geschäftsführerin der Mühlenbäckerei Rudolf Jung GmbH & Co. KG
Verena Moser, Geschäftsführerin der Mühlenbäckerei Rudolf Jung GmbH & Co. KG

Dass die Mühlenbäckerei Rudolf Jung GmbH & Co. KG ein echter Handwerksbetrieb ist, belegt allein der Personalkostenanteil, der bei 520 Mitarbeitern fast 50% des Jahresumsatzes von 24 Millionen EUR netto ausmacht. Nach alter Tradition wird in der Mühlenbäckerei noch selbst gemahlen, der Sauerteig in Handarbeit zubereitet und in Ruhe zur Reife gebracht. So entsteht gutes, bekömmliches Brot, das ohne die in der Industrie üblichen Zusätze auskommt.

Hoher Qualitätsanspruch

Der zweite Preis, den die Mühlenbäckerei jüngst erhalten hat, würdigt denn auch ihren hohen Qualitätsanspruch. „Der Goldene Zacharias ist so etwas wie der Oscar des Bäckerhandwerks“, weiß die Geschäftsführerin, die mit der Mühle groß geworden ist, BWL studiert, auswärts gearbeitet und sich dann sehr bewusst für den Familienbetrieb entschieden hat. „Bei der Auszeichnung geht es um das Produkt und dessen Vermarktung. Beim Westerwälder ‘Energiebündel’ handelt sich um ein Proteinbrot mit ungewöhnlichen Backzutaten, sodass es alle Vorgaben erfüllt, aber trotzdem ein richtiges Brot in Bäckerqualität ist. Zielgruppe ist die junge Generation, die wir unbedingt brauchen. Sie isst sehr ausgewählt und gesund, und unser ‘Energiebündel‘ passt zu dieser Lebensführung. In Kooperation mit einem Onlineshop haben wir begonnen, dieses Nischenprodukt zu vertreiben: Wir verkaufen das Brot nicht nur in unseren Filialen, sondern verschicken es auch auf Kundenwunsch über einen Onlineshop.“

Mühlenbäckerei Rudolf Jung Frühstück
In der Filiale Montabaur Allmannshausen lässt es sich gemütlich sitzen, plaudern und Gutes vom Mühlenbäcker genießen
Mühlenbäckerei Rudolf Jung Energiebündel
Das Westerwälder ‘Energiebündel‘ hält, was der Name verspricht – und schmeckt

Ehrliche Handarbeit

Welchen Stellenwert die handwerkliche Arbeit in der Mühlenbäckerei hat, vermittelt der Familienbetrieb gern vor Ort. „Uns ist wichtig, dass schon die Kinder den Herstellungsprozess der Brote kennenlernen, die gesamte Wertschöpfungskette vom Feld bis in die Brotdose“, betont Verena Moser. „Wir organisieren viele Führungen für Kindergärten und Grundschulen bei uns im Bäckereibetrieb und in der Mühle, aber auch Praktika für die weiterführenden Schulen. Wir möchten der jungen Generation den Handwerksberuf näherbringen, ihr vermitteln, dass es etwas Wunderbares ist, mit den Händen etwas zu schaffen. Tatsächlich ändert sich die Wahrnehmung allmählich, denn Handwerker sind rar und ihre Wertschätzung nimmt zu. Wir haben einen hohen Fachkräfteanteil und beschäftigen viele Bäcker, die gern bei uns arbeiten und den hohen Anteil ehrlicher Handarbeit schätzen.“

Bemerkenswert ist der hohe Frauenanteil der Mühlenbäckerei, gerade in den Filialbäckereien. Auch auf der Filialleiterebene liegt die Quote bei 90%. Die Mitarbeiterinnen arbeiten oft in Teilzeit, was für die Flexibilität des Betriebes spricht. Sogar die Ausbildung ist in Teilzeit möglich.

Markenzeichen Mühle

Nach wie vor ist die alte Wassermühle das Markenzeichen der Mühlenbäckerei und untrennbar mit dem Familienbetrieb verbunden. Das 4,20 m hohe, stählerne Wasserrad rauscht schon seit 1615 und in der 12. Generation, und seit 1889 wird in der Mühle Mehl zu Brot gebacken.

Mühlenbäckerei Rudolf Jung Gastronomie
Mühlenbäckerei Rudolf Jung Zacharias Preis
Mühlenbäckerei Rudolf Jung Tiergartenpassage

„Mein Großvater traf in den 1970er-Jahren die Entscheidung, dass eine kleine Handwerksmühle allein nicht bestehen kann und sicherte die Existenz des Familienbetriebes, indem er eine Bäckerei hinzufügte“, berichtet die Geschäftsführerin. „Mein Vater hat dann als erster Bäckermeister auf die Filialisierung gesetzt und den Grundstein für weiteres Wachstum gelegt. Wir haben heute Filialen im Umkreis von 80 km, auch schöne Cafés mit einem tollen Frühstücksangebot. Da das gastronomische Angebot coronabedingt teilweise weggebrochen ist, können wir nun eine Alternative bieten. Unsere Filialen und Cafés sind Treffpunkte und Kommunikationszentren. Auch in diesen Zeiten ist es wichtig, sich etwas Gutes zu gönnen. Wir beschäftigen uns auch mit Bowls, Salaten, Joghurtkonzepten und Pizza.“

Gleich, ob traditionelles Brot in schmackhaften Varianten oder moderne Snacks, die Produkte der Mühlenbäckerei bleiben etwas ganz Besonderes, hergestellt aus eigens für die Mühle produziertem Getreide, in der alten Mühle gemahlen und in liebevoller Handarbeit verarbeitet.