THE NAME FOR SAFETY – und zwar weltweit
Interview mit Robert Rohde, Head of Product Management der Jean Müller GmbH
Schaltgeräte sind die unscheinbaren Helden der Energieverteilung. Sie ermöglichen es, elektrische Energie zu schalten, abzusichern und den Bediener zu schützen. Ob in Wohnhäusern, Industrieanlagen oder in der Energiewirtschaft — Schaltgeräte spielen eine entscheidende Rolle, um einen sicheren und effizienten Betrieb zu gewährleisten. Mit einer Geschichte, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, hat die Jean Müller GmbH eine lange Tradition in der Entwicklung sicherer Schaltgeräte.
Wirtschaftsforum: Herr Rohde, die Jean Müller GmbH trägt einen französischen Namen. Wie würden Sie kurz die Historie Ihres Unternehmens beschreiben?
Robert Rohde: Wir hatten seit der Gründung vor 126 Jahren keinerlei Bezug zu Frankreich. Selbst heute nicht, da sich die Technologien und Normen unterscheiden. Stattdessen war ‘Jean’ der Spitzname des Gründers, welcher damals zu den Pionieren in der Elektrotechnik gehörte. Zu jener Zeit wurde Elektrizität regional erzeugt und verteilt. Es war die Dekade der Gründung großer Firmen wie AEG oder Siemens. Jean Müllers historischer Beitrag war die sichere Versorgung mit Elektrizität in den Privathaushalten mithilfe von Keramik-Schraubsicherungen. Heute arbeiten wir nur noch mit der Industrie und den Energieversorgern zusammen. So gehören beispielsweise Krankenhäuser, Walzwerke, Chemieparks, Energieversorger und Stadtwerke zu unseren Kunden. Demnach befinden sich Produkte der Jean Müller GmbH unter anderem in den Ortsnetzstationen und Verteilerkästen am Straßenrand, welche die sichere Verteilung der Energie gewährleisten.
Wirtschaftsforum: Wie viele Mitarbeiter beschäftigt aktuell Ihr Unternehmen und wie hoch ist der Umsatz?
Robert Rohde: Aktuell beschäftigen wir über 600 Mitarbeiter — davon knapp 500 in Deutschland. Alle anderen arbeiten an unseren Standorten in Indien, Neuseeland, China, Singapur, Finnland, in den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, Polen und in der Türkei. Ein besonderer Meilenstein des Jahres 2024 war die Eröffnung eines Produktionsstandortes in Indien. Darüber hinaus haben wir ein Joint Venture in Ungarn. Der Umsatz beläuft sich auf 140 Millionen EUR.
Wirtschaftsforum: Ist die Jean Müller GmbH immer noch familiengeführt?
Robert Rohde: Das Unternehmen war lange Zeit familiengeführt. Nachdem 2017 ein Eigentümer unerwartet verstorben ist, haben zwei angestellte Geschäftsführer — Dipl.-Wirtsch.-Ing. Stefan Gutting und Dipl.-Ing. (FH) Heinz Saure — die Leitung übernommen. Das Unternehmen befindet sich immer noch zu 100% im Familieneigentum.
Wirtschaftsforum: Gibt es bei Ihnen Produkte, mit denen Sie sich von der Konkurrenz abheben?
Robert Rohde: Europaweit gibt es nur sehr wenige Anbieter, die die komplette Bandbreite abdecken. Wir sind in Deutschland die Einzigen, die sämtliche Produkte und Systeme vor Ort entwickeln und produzieren. Zudem ist späteres Aufrüsten bei uns deutlich unkomplizierter als beim Wettbewerber. In Ergänzung mit unserem über 100-jährigen Know-how zum Thema Lastschalten genießen wir größtes Vertrauen bei unseren Kunden.
Wirtschaftsforum: Gibt es Produktneuheiten bei Ihnen, die Sie hervorheben möchten?
Robert Rohde: In Bezug auf die Digitalisierung des Verteilnetzes möchte ich eine Kombination aus drei Produkten erläutern. Zum einen ist TOKEO die neueste Generation der Lastschaltleisten, welche mit PLPlano Mess- technik und unserem Messsystem PLVario-II kombiniert werden. Alle drei Produkte bilden den Kern einer intelligenten Verteilerlösung, welche wir mit der Softwarelösung PLAnaKon abrunden. Das Ganze wird komplett digitalisiert und einbaufertig ausgeliefert. Für industrielle Kunden und Betreiber von Liegenschaften bieten wir mit SASILplus ein speziell auf diese Anforderungen angepasstes System mit voll integriertem Energiedaten-Erfassungssystem an. Die Komponenten sind im laufenden Betrieb auswechselbar, sodass die Betriebsunterbrechung bei einem Defekt minimal ist.
Wirtschaftsforum: Es heißt, die Krise der letzten vier Jahre hatte ganz unterschiedliche Auswirkungen auf die Industrie und die Energieversorger. Wie haben Sie Turbulenzen in Ihrem Unternehmen wahrgenommen?
Robert Rohde: In der Tat haben die Herausforderungen der geopolitischen Situationen die Kapazitätsnachfrage auf dem Markt verändert. Allgemein legen wir höchste Priorität darauf, stets die Lieferfähigkeit sicherzustellen. Wir arbeiten antizyklisch und investieren daher heute in die Zukunft, um sowohl Innovation, als auch Lieferfähigkeit sicherzustellen. Wir haben die Turbulenzen der letzten Jahre gut gemeistert. Die letzten vier Jahre waren Rekordjahre, in denen wir sogar zweistellige Wachstumszahlen realisieren konnten.
Wirtschaftsforum: Welche Strategie verfolgen Sie für die Zukunft?
Robert Rohde: Aufgrund des Fachkräftemangels möchten wir weiterhin intelligente Produkte entwickeln und die Automatisierung verstärken. Wir bilden selbst aus und investieren stetig in die Weiterbildung unserer Mitarbeiter. Ziel ist es, mit den bestehenden Fachkräften mehr Output realisieren zu können. Im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Klimaneutralität und Unabhängigkeit von Energiepreis-Schwankungen haben wir in Photovoltaikanlagen auf unseren Dächern investiert. Darüber hinaus legen wir viel Wert auf recycelbare Produkte. Unsere Komponenten sind sehr langlebig, verbleiben teilweise bis zu 50 Jahre im Betrieb. Wir sind Technologieführer in vielen Bereichen und möchten diese Position weiter ausbauen.